1858 - 1924: Die Lokwerkstatt
Die am 2.11.1858 eröffnete Werra-Bahn (Eisenach-Meiningen-Hildburghausen-Coburg) baute 1863 in Meiningen eine Lokwerkstatt. Diese lag gegenüber dem Bahnhof an der Stelle des heutigen Bahnbetriebswerkes
Im Jahre 1902 wird die Eisenbahnwerkstatt Meiningen, die bisher Nebenwerkstatt der Eisenbahndirektion Erfurt war, zur Hauptwerkstatt erklärt.
Da am alten Standort gegenüber des Bahnhofs keine Erweiterungsmöglichkeiten bestanden, wird zum Bau einer neuen Eisenbahn - Hauptwerkstatt im Jahr 1910 in Meiningen auf dem Gelände des Westhanges des Drachenberges zwischen Flutgraben, Leipziger Strasse und Helba der erste Spatenstich vollzogen. Dies erfolgte am 1. Oktober 1910.
Ca. 245 000 m³ Erdmassen mussten bewegt werden, um ein 140 550 m² großes Plateau zu schaffen.
Nach dreieinhalbjähriger Bauzeit wird am 2. März 1914 das neue Werk eröffnet und als Betrieb übergeben.
Der erste Bauabschnitt umfasste die jetzige Kesselschmiede, die Zubringerwerkstatt, die Lokhalle, das Ersatzstücklager, die alte Gießerei, die Wagenhalle, Badeanstalt, Kantine und das Verwaltungsgebäude bis zum ersten Stock.
Die Belegschaft wächst 1914 auf 800 und erweitert sich bis zum Jahr 1918 auf 1600 Beschäftigte. Für das Heben der schweren Schnell- und Güterzuglokomotiven der Königlich - Preußischen - Eisenbahndirektion (KED) Erfurt stehen ein 40 - Tonnen- und ein 60 - Tonnen - Kran zur Verfügung.
1920 - 1945: Das Reichsbahnausbesserungswerk RAW
Im Jahr 1920 wird aus den Länderbahnen die Deutsche Reichsbahn gebildet und die Zentralwerkstatt bezeichnet man nunmehr als Eisenbahnausbesserungswerk (EAW), ab 1924 als Reichsbahnausbesserungswerk (RAW).
Bereits im Jahr 1916 beginnen Erweiterungsbauten, die nach dem ersten Weltkrieg verstärkt fortgeführt werden. Im Zeitraum von 1924 bis 1926 werden die heutige Lokrichthalle mit 80 - Tonnen - Kränen, Teile des Anheizhauses und das Gießereigebäude errichtet. Gleichzeitig wird das nördliche Hallenschiff der alten Lokhalle als Kesselschmiede eingerichtet.
In den Jahren 1925/26 werden zunächst 10 Schnellzuglokomotiven der Baureihen 01 und 02 sowie 10 Güterzuglokomotiven der Baureihen 43 und 44 in Dienst gestellt und dem RAW Meiningen zur Instandhaltung zugewiesen. Damit ist für die nächsten Jahrzehnte das RAW Meiningen für die Aufarbeitung der schweren Einheitslokomotivbaureihen zuständig.
Bis zum Jahr 1927 werden auch Waggons in Meiningen aufgearbeitet, diese werden später an das RAW Gotha abgegeben. Bis dahin hat das Werk über 2000 Beschäftigte.
Während des Krieges wurden auch Motoren für die Kriegsindustrie gefertigt, dennoch blieb das RAW von Bombardierungen und Reparationsleistungen verschont. Es konnte bereits am 23. April 1945 seine Arbeit wieder aufnehmen.
1945 - 1989: Das RAW in der DDR
Schon am 1. September 1945 wurde das Werk zum volkseigenen Betrieb erklärt. Nach dem 2. Weltkrieg gewinnt das RAW Meiningen für die Deutsche Reichsbahn zunehmend an Bedeutung.
Am 01.05.1947 wurde bereits die 1000. nach dem Krieg instandgesetzte Dampflok dem Bereich Eisenbahntransport übergeben.
Am 4. Mai 1951 gegen 15 Uhr kam es im RAW zu einem schweren Explosionsunglück. 11 Menschen wurden getötet, 30 verletzt, darunter viele schwer. Der Kessel einer unter Dampf stehenden Lokomotive wurde aus dem Rahmen herausgerissen, zerstörte das gesamte Dach des Anheizschuppens und wurde unter Druck bis zur Ernststraße geschleudert, wo er auf der Straße aufprallte und im Garten des Krankenhauses schließlich liegen blieb.
In den Folgejahren erhöhte sich das Produktionsvolumen ständig. Einen Namen hat sich das RAW Meiningen gemacht, weil es die Renaissance der Dampflok in der DDR durch die Reko-Loks maßgeblich mitgestaltet hat. Ziel war es, den Wirkungsgrad der Maschinen und die Arbeitsbedingungen der Lokmannschaften zu verbessern. Zwischen 1958 und 1962 wurden 58 Loks der Reihe 39 umgebaut, sie erhielten neue geschweißte Kessel mit Verbrennungskammer, neue Führerhäuser, Witte-Bleche, Einheitstender ( 2'2'T34) und die neue Baureihenbezeichnung "22".
Krönung der vielseitigen technischen Erfahrungen war der Umbau der BR 61 zur heutigen 18 201. Diese ist auch heute noch mit 175 km/h die schnellste funktionstüchtige Dampflokomotive der Welt.
Bis Ende der 70´er Jahre wird das Produktionsprofil des Werkes von der Dampflokinstandhaltung geprägt. Mit dem Auslauf der Dampflok als Streckenlokomotive verändert sich auch stufenweise das Profil des Werkes.
Ab dem Jahr 1981 wurden auch Güterwagen der Gattung Ucv und Ucsv im Werk instandgesetzt. Diese Instandsetzungsarbeiten an den Behälterwagen brachten jedoch eine Reihe Probleme mit sich, da die Arbeiten mit erhöhtem Staubaufkommen verbunden waren, welches den Arbeitern und Maschinen schwer zu schaffen machte.
Erstmals in einem Reichsbahnausbesserungswerk wird eine Fertigungslinie für den Neubau von Triebfahrzeugen im RAW Meiningen errichtet; im Zeitraum von 1984 bis 1988 werden insgesamt 202 Dampfspeicherlokomotiven vom Typ FLC gefertigt und den Anschlussbahnen der Industrie übergeben.
Durch Investitionen in den Bereichen der Stahlbaufertigung und der mechanischen Bearbeitung wurde der Neubau weiter profiliert und ab 1987 wurden auch Lauf- und Triebdrehgestelle für elektrische Triebwagenzüge in Jahresserien gefertigt.
ab 1990: Das Dampflokwerk Meiningen
Zwischen 1993 und 1994 wurden gemeinsam mit der Firma Beilhack aus Rosenheim 2 Hochleistungs- Bahnschneeschleudern vom Typ HB 1600 für die Deutsche Bahn AG gefertigt. Diese sind selbst fahrbar und räumen mit einer maximalen Geschwindigkeit von 90 km/h die ICE Strecken.
Des weiteren wurden zwischen 1993 und 1996 1 Schneeschleuder HB 1200, 2 Schneeschleudern GKW 12 für Russland und 6 funkferngesteuerte Schneepflüge BA 850 für die DBAG gebaut.
Seit 1998 setzt das Dampflokwerk Regel- und Schmalspurlokomotiven für die DBAG, Privatbahnen, Museumsbahnen und Eisenbahnvereine des In- und Auslands instand, modernisiert Schneepflüge und Schneeschleudern und baut Kessel für historische Dampflokomotiven aus ganz Europa. Auch die Aufarbeitung von historischen Reisezugwagen nimmt einen hohen Stellenwert in der heutigen Produktionspalette des Dampflokwerks ein.
Mit der Instandsetzung von Diesellokomotiven der Baureihe V60 wurde seit 2003 ein neues Geschäftsfeld erschlossen. Die Lokomotiven erhalten eine Hauptuntersuchung nach §32 EBO und auf Kundenwunsch eine Remotorisierung auf Caterpillar-Motor.
Heute: Neufertigungen, Dampflokomotiven, Krane, Komponenten uvm.
Ein besonderer Höhepunkt in der Komponentenfertigung war zweifellos der Neubau des Dampfkessels für die britische Neubaulok vom Typ „A 1“, welche im Sommer 2006 zur Auslieferung gebracht wurde. Dieses Projekt war für das Dampflokwerk gleichzeitig auch ein wichtiger „Türöffner“ in den englischsprachigen Raum. Der im Nachgang zu dieser Lieferung beauftragte Kessel für die Lok „3801“ aus Australien wäre ohne die Referenzen aus Großbritannien sicherlich nicht an das Dampflokwerk vergeben worden.
Aufsehen erregten nicht zuletzt auch die Neubauprojekte der Jahre 2008 und 2009. In einer Bauzeit von weniger als 12 Monaten gelang es die Lok 99 324 für die Mecklenburgische Bäderbahn „Molli“ GmbH auf die Schiene zu stellen. Es war fast 50 Jahre her, dass die letzte Neubaudampflok für den Regelbetrieb eine Werkstatt in Deutschland verlassen hatte. Mit diesem Projekt konnte bewiesen werden, dass man auch heute durchaus noch in der Lage ist, komplette Dampflokomotiven neu entstehen zu lassen.
Parallel zur 99 324 wurde auch das zweite Neubauprojekt, die „Sächsische I K Nr. 54“ umgesetzt. In enger Kooperation mit zahllosen Firmen im Freistaat Sachsen konnte die erste sächsische Serienschmalspurlokomotive als repräsentatives Unikat an den Auftraggeber „VSSB e.V.“ übergeben werden.
Zunehmend erarbeitete sich das Dampflokwerk branchenweit einen sehr guten Ruf bei der Instandsetzung von Eisenbahndrehkranen, so dass immer mehr Betreiber die Möglichkeit nutzen, Ihre Krane in Meiningen warten zu lassen.